Gebt es doch zu, ihr habt euch gestern alle einen Brückentag genommen!
Na gut, sagen wir 95 %. Zumindest mental 🙂
Ich stehe ebenso dazu und, wenn man „Brücke“ ins Englische übersetzt, dann habe ich dies sogar wörtlich.
Ich möchte diese Woche lediglich eine kurze Hommage an etwas aussprechen, dass mir vielleicht im wahrsten Sinne des Wortes seit Ende März die Quarantäne gerettet hat.
Ein Spiel, welches emotionale Höhen und Tiefen geboten hat und durch welches ich auch in der Isolation menschliche Nähe zu meinen Bekannten, hauptsächlich in den Niederlanden, erfahren durfte.
Die Rede ist vom wahrscheinlich bekanntesten Kartenspiel der Welt: Bridge.
Wie bitte fragt ihr euch vielleicht? Das Spiel, welches bekanntlich
- nur von Rentnern gespielt wird (und vielleicht verwirrten Mathematikern, die sonst keine Hobbies haben)?
- mehr Etikette und Status ist als ein wirklich interessantes Kartenspiel?
- mindestens ein Semester Studium erfordert, bevor man es spielen kann?
- nur eine Kommunikation von 16 Wörtern erlaubt?
Bridgespieler, die hier mitlesen, werden es schwer glauben, aber alle diese Ansichten sind mir in den letzten Wochen zu Ohren gekommen.
Ich finde das schade. In diesem kurzen Blogeintrag werde ich selbstverständlich nichts bewerkstelligen können, aber ich würde mich schon freuen, wenn ich im Laufe meines restlichen Lebens auch nur 2 weitere Menschen für dieses tolle und reichhaltige Spiel begeistern kann 🙂

Bridge ist ein Partnerschaftsspiel. Zwei Paare sitzen sich gegenüber und schließen im Prinzip reihum Wetten ab:
„Ich wette, wir machen zusammen mindestens 8 Stiche, wenn Pik Trumpf ist.“
Partner: „Ich wette, wir machen mindestens 10 Stiche. Diese Wette bringt mehr.“
Gegner: „Ich wette aber was höheres, nämlich, dass wir mindestens 11 Stiche machen, wenn stattdessen Karo Trumpf ist.“
Du: „Das glaube ich euch nicht. Ihr wollt doch nur unser schönes Spiel kaputtmachen. Ihr seid gemein und ich mag euch nicht. Kontra!„
usw.
Natürlich sieht keiner die Karten des anderen, auch nicht seines Partners. Trotzdem ist eine ungefähre Information, was der Partner haben könnte, essenziell um die bestmögliche Wette nach obigem Vorbild abschließen zu können. Man versucht, mit möglichst wenigen Worten möglichst wertvolle Informationen mit seinem Partner auszutauschen. Zu großen Teilen ist Bridge hiermit kein rein analytisches, sondern ein kommunikatives Spiel. man erarbeitet sich nach und nach zusammen mit seinem Spielpartner eine „Geheimsprache“. Dass es da nach jedem Blatt auch gerne mal zu Missverständnissen und hitzigen Diskussionen kommen kann, dürfte selbsterklärend sein. 😉
Gut, aber was ist, wenn die höchste Wette steht?
Dann geht das Spiel in die zweite Phase und es entsteht ein einfaches Stichspiel, welches im Grundsatz jedem, der schon einmal Schafkopf, Skat, 20 Ab oder ein vergleichbares Spiel gespielt hat, bekannt sein dürfte:
- Jeder der 4 Spieler spielt im Uhrzeigersinn eine Karte, zusammen ergeben diese einen Stich.
- Wer den letzten Stich gewonnen hat, spielt zum nächsten Stich aus.
- Die Farbe, die zum Beginn des Stichs ausgespielt wurde, muss bedient werden. Wenn nicht, darf eine beliebige Karte gespielt werden. Den Stich gewinnt allerdings nur die höchste Karte in der Farbe, in der der Stich begonnen wurde.
(Gut, manchmal gibt es noch eine Trumpffarbe, dieses Konzept soll in dieser kurzen Erklärung weggelassen werden, wesentlich komplizierter ist es aber auch nicht)
Das was im Prinzip schon! Ziel des Spiels ist natürlich, mindestens die vorher gewettete Anzahl von Stichen zu gewinnen – und die beiden Gegner möchten natürlich genau dieses vermeiden.
Was mich bis heute fasziniert, ist die strategische Vielfalt, die sich trotz dieser super-einfachen Regeln ergeben können. In dieser Hinsicht ist das Abspiel beim Bridge für mich quasi vergleichbar mit einem Rätsel wie Sudoku. Wie ein Puzzle, welches 2 Parteien gleichzeitig gegeneinander spielen und der Bessere wird gewinnen.
Für die ambitionierten Leser unter euch schließe ich diese kurze Danksagung mit einem Rätsel:

Wie ihr seht, wurde im ersten Stich Pik Bube (vom Gegner, der hier mit West bezeichnet wird) ausgespielt. Was schön ist: Beim Abspiel sind die Karten deines Partners offen. Du kannst also euer Abspiel genauestens koordinieren.
Aufgabe: Findet eine Strategie, mit der die beiden aufgedeckten Hände zusammen mindestens 12 Stiche machen! Tipp: Jede Hand enthält immer genau 13 Karten (genauso gibt es in jeder Farbe auch 13 Karten) und es gibt dementsprechend auch insgesamt 13 Stiche zu vergeben. Die beiden Gegner (hier einfach neutral und namenlos mit West und Ost bezeichnet) dürfen also maximal nur einen Stich bekommen!
Das ist zugegebenermaßen eine ungewöhnlich hohe und sehr ambitionierte Wette, aber eure Karten sind bei diesem Blatt auch sehr gut und bei Erfüllung würden euch sehr viele Punkte winken!
Schreibt kurz eure Strategie in die Kommentare bzw. unter welchen Voraussetzungen ihr mindestens 12 Stiche schafft bzw. unter welchen Voraussetzungen eure Strategie leider nicht erfolgreich wäre. Versucht, die Wahrscheinlichkeit für eine schlechte Voraussetzung maximal zu minimieren!
Für dieses Rätsel sind nicht mehr Kenntnisse erforderlich, als die Grundregeln der meisten Stichspiele, die ich weiter oben aufgezählt habe. Trotzdem ist es selbst für erfahrene Spieler alles andere als trivial und in einer realen Partie könnte es gut sein, dass ich (zum Teil sicherlich aus Leichtsinn) mein Stichziel von 12 Stichen mit etwas Pech ebenfalls verfehlt hätte.
(Wer Gefallen an dieser Art von Puzzle findet, dem möchte ich wärmstens dieses E-Book ans Herz legen, mit dessen Hilfe ich selber im Jahr 2005 ebenfalls das Spiel gelernt habe.)
Wie im richtigen Leben braucht man nämlich auch im Bridge manchmal ein bisschen (und manchmal sehr viel!) Glück, um zu seinem Ziel zu gelangen. Auch hier ist das der Fall, aber die Kunst liegt eben darin, die Wahrscheinlichkeit, dass man Pech hat, zu minimieren. Die Übertragung aufs Leben überlasse ich jetzt den Philosophen unter euch.
„Sometimes I feel like I don’t have a partner“
So heißt es direkt zu Beginn eines Songs der Red Hot Chili Peppers, dessen Titel unter anderem den Namen dieses Spiels enthält. Und an den der Titel dieses Eintrags anlehnt.
Für mich ist diese Zeile insoweit zutreffend, als dass ich mich freuen würde, über die nächsten Monate auch selbst eine Person langsam in dieses wunderschöne Spiel einzuweihen. Und zum Beispiel ab und zu auf Bridge Base Online eine schnelle Partie gegen Gegner aus aller Welt zu zocken. Vielleicht schwer zu glauben, aber Bridge ist populär in Nordafrika, im arabischen Raum, Nordamerika (speziell Kanada) und auch in Südamerika.
Wie im richtigen Leben – man kann zwar beim Bridge relativ schnell zum Spaß mitspielen, aber eigentlich seine Strategie, insbesondere mit einem festen Spielpartner, ein Leben lang verbessern. Zumindest ich für meinen Part wäre nach einigen entspannten Familienrunden unter Quarantäne bereit, auch wieder mehr Zeit und Engagement in dieses reichhaltige Spiel zu investieren.
Scheut euch also nicht, mich anzusprechen, auch wenn ihr diesen Beitrag vielleicht erst Monate nach seiner Veröffentlichung lesen solltet – dies ist sowieso mehr ein Beitrag für das langfristige Archiv als einer, der mir unmittelbar eine massige Anzahl an Likes und Retweets in sozialen Medien einbringen wird. So realistisch bin ich dann doch 🙂
(am nächsten Wochenende werde ich auf dieser Seite vermutlich etwas zu einem ganz anderen Thema schreiben, welches in meiner Leserschaft erheblich mehr polarisieren dürfte als der heutige Text, so als kleine vorgezogene Trigger-Warnung)
Deine Lobeshymne auf Bridge kann ich nur unterschreiben. Meine Lösung für dein Rätsel: nach dem ersten Stich einen niedrigen Stich in Karo abgeben. Du kommst garantiert wieder am Stich und kannst jetzt ohne Sorgen die Karos abspielen und Treff entsorgen.
Gegen welche Verteilung in Karo funktioniert deine vorgeschlagene Lösung und gegen welche nicht? Und soll man den Stich klein oder mit der 10 abgeben? (Das ist tatsächlich ein Unterschied)
Stich klein abgegeben damit zwei Karos aus dem Spiel gezogen werden. Die übrigen drei noch fehlenden Karos ziehst du mit As, König, Dame. Funktioniert nicht bei einer 5-0 Verteilung der Karos bei den Gegnern.
Gibt es eine 5-0 Verteilung, gegen die du vielleicht trotzdem noch gewinnen kannst? 🙂
Nicht das ich wüsste. Hast du eine Möglichkeit gefunden?
Natürlich. Was passiert, wenn West das kleine Karo gewinnt und Ost Chicane ist?
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